Die 1984 auf Hawaii geborene Caitlin Doughty studierte in Chicago mittelalterliche Geschichte, machte anschliessend eine Ausbildung zur Bestatterin und führt heute in Los Angeles ihr eigenes (selbstverständlich alternatives – wir sind in Kalifornien) Bestattungsunternehmen.
„In unserer Kultur sind die meisten Analphabeten in Sachen Tod, was ihre Angst noch verstärkt. Wenn jemand weiss, was sich in einer Flasche Balsamierflüssigkeit befindet, was ein Gerichtsmediziner macht oder was eine Katakombe ist, hat er bereits mehr Ahnung als die meisten seiner Mitsterblichen.“ Doch weshalb sollte man solche Sachen eigentlich wissen wollen? Weil erst die Beschäftigung mit dem Tod uns das Leben wirklich schätzen lässt.
34 Kinderfragen werden in diesem Buch beantwortet; von „Wird meine Katze meine Augäpfel fressen, wenn ich tot bin?“ (es gibt andere Körperteile, die bevorzugt werden) bis zu „Für die Aufbahrung wurde meine Oma unter ihrer Bluse in Plastikfolie gepackt. Warum?“ (die Antwort findet sich auf Seite 205).
Wir leben in Zeiten, die unter anderem vom Grundrecht auf Meinungsäusserungsfreiheit gekennzeichnet sind, was nicht ganz unproblematisch ist, weil eine Meinung zu haben nichts kostet und so recht eigentlich auch nicht von Fakten getrübt sein muss. Erfreulich ist deswegen, dass Caitlin Doughty uns damit bekannt macht, was ganz einfach ist. Mit Fakten also. „Nach dem Tod geht im Darm des Verstorbenen die Post ab. Milliarden Bakterien machen sich daran, die Eingeweide zu verzehren, bevor sie sich auf Herz, Leber und Gehirn stürzen. Doch bei all dieser Schlemmerei entstehen auch Abfallprodukte. Die Milliarden Bakterien produzieren Gase wie Methan und Ammoniak, die den Bauch aufblähen, ein Zeichen dafür, dass im Inneren der Leiche Druck entsteht.“ Bei zu viel Druck entleert sich der Körper, übelriechende Gase werden frei und zischende Geräusche sind zu hören. „Bakterienfurze“, nennt sie die Autorin.
Nicht nur Kinder fragen sich, warum Insekten keine Knochen fressen. Warum also? „Das Zerkleinern von Knochen ist Schwerstarbeit. Und nicht nur das, Knochen haben für Insekten keinen ernährungsphysiologischen Nutzen.“ Trotzdem kommt es vor (keine Regel ohne Ausnahme!), dass Insekten sich hin und wieder an Knochen versuchen. Und auch Erwachsenen (zugegeben, ich spreche von mir) kann sich die Frage aufdrängen: „Wir essen tote Hühner, warum dann nicht auch tote Menschen?“
Abgesehen von einem grossen kulturellen Tabu, jedenfalls in den entwickelten Ländern des 21. Jahrhunderts – eine Randbemerkung: „Ohne andere Kulturen für ihren Kannibalismus zu verurteilen …“, schreibt die Autorin, was ich für völlig überzogene politische Korrektheit halte oder war das, wie ich hoffe, etwa ironisch gemeint? – , ist Menschenfleisch nur schwer zu beschaffen und überdies „weder besonders nährstoffreich noch bekömmlich.“ Mit Erstaunen nahm ich zur Kenntnis, dass Kannibalismus nicht illegal ist. Einen Toten zu verspeisen geht trotzdem nicht, weil man dabei das Gesetz gegen die Störung der Totenruhe bricht. Schon verblüffend, dass wir uns solchen juristischen Unsinn gefallen lassen!
Mein liebstes Kapitel handelt vom Tod im Flugzeug, nicht den durch Absturz (der übrigens äusserst selten ist), sondern den durch Herzinfarkt, Asthmaanfall oder durch altersbedingte Beschwerden. Was geschieht eigentlich mit solchen Toten? Caitlin Doughty kennt die Antwort – und sie ist anders, als ich mir das vorgestellt habe.
Fazit: Nützlich und witzig.
Caitlin Doughty
Was passiert, wenn ich tot bin?
Grosse Fragen kleiner Sterblicher über den Tod
C.H. Beck, München 2020