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Erste Schritte

Graeme Maxton | Bernice Maxton-Lee: F*CK THE SYSTEM

„Wir wandten uns an die Vereinten Nationen, trafen uns mit dem Papst, taten uns mit Influencern zusammen und setzten uns mit Präsidenten, Premierministern und Zentralbankgouverneuren aus aller Welt an einen Tisch. Jetzt würden wir das Problem doch bestimmt, endlich, wirklich verstehen“, lese ich im Vorwort und wundere mich über soviel Naivität, schliesslich braucht es nur wenig Lebenserfahrung, um zu erkennen, dass die Leute, die es in diesem System weit gebracht haben, wohl kaum die Leute sind, die es ändern wollen. Wozu auch?

Erfreulich an diesem Buch ist, dass es um Grundsätzliches geht (was sich angesichts der rasanten Entwicklung auch aufdrängt): Wir müssen uns entscheiden, ob unsere Entscheidungen wie bisher „auf der Grundlage ichzentrierter, kurzfristiger, animalischer Instinkte erfolgen? Oder schaffen wir es endlich, der reflektierenden und spirituellen Seite des menschlichen Charakters den Vorzug zu geben?“ Viel Zeit bleibt uns nicht, um uns zu entscheiden. Und sich nicht zu entscheiden, ist auch ein Entscheid, denn weiter gehen wie bis anhin wird es nicht.

Zurück zu Vor-Covid-19 ist weder wünschenswert noch eine Option, denn schliesslich hat Vor-Covid-19 uns Covid-19 beschert. Und dies betrachten die Autoren als Weckruf, als Chance. Dabei setzen sie ihre Hoffnungen vor allem auf die Jüngeren, die ihrer Meinung nach noch nicht so stark von der Wirtschaftspropaganda vereinnahmt worden sind und am meisten zu verlieren haben.

F*CK THE SYSTEM liefert Fakten. „Die Weltbevölkerung hat sich in 60 Jahren mehr als verdoppelt und ist heute fast fünfmal so gross wie noch vor einem Jahrhundert.“ Alle 12 Jahre gibt es eine Milliarde mehr Menschen, die Nahrung, Wasser, Wohnraum etc. brauchen. Dazu kommt, dass sich die Erde stetig erwärmt und dies ist „hauptsächlich darauf zurückzuführen, wie Menschen Energie und Nahrung produzieren.“

Dieses Buch richtet sich an Leute wie mich, denen zwar klar ist, dass es ein Klimaproblem gibt, doch denen nicht bewusst ist, wie gravierend es ist. „Das Ausmass des Klimaproblems ist so gross, dass selbst wenn Hunderte Millionen von Menschen zu 100 Prozent nachhaltig lebten und absolut keine Treibhausgase verursachten, es nicht genug wäre, um den Kipp-Punkt zu verhindern.“ Mit anderen Worten: Eine radikale Kehrtwendung ist von Nöten.

Dieses Buch ist ein Appell, ein notwendiger, denn wir können nicht warten bis wir den Kipp-Punkt erreichen, wir müssen jetzt handeln. „Im Klartext: Die meisten von uns müssen ihre Lebensweise von Grund auf umkrempeln, unabhängig von den wirtschaftlichen und sozialen Folgen.“ Frage an die Autoren: Mit wie wenig Einkommen und Sicherheiten sind Sie bereit zu leben?

Dass ein System, das auf der Ideologie von Mehr-Mehr-Mehr gründet, ziemlich hirnrissig ist, versteht sich, ändert jedoch nichts daran, dass wir ihm bedingungslos ergeben sind. Nötig ist, dass sich unser Denken ändert. Doch wie soll das gehen? Der Ansatz der Autoren besteht darin, uns mit Tatsachen füttern, die uns die Dramatik unserer Situation vor Augen führt. „Wir sind der Meinung, dass die Aussagen in diesem Buch zu radikalen Gesellschaftsreformen und Klimawandel auf Fakten und gut durchdachten Erkenntnissen beruhen sollen, nicht auf dem Auf und Ab im Alltag unseres bisherigen Lebens.“

So weisen sie unter anderem auf Faktoren hin, die den Klimawandel beschleunigen – von der irrigen Annahme, der Markt werde es schon richten bis zur falsch verstandenen Demokratie, vom idiotischen Wachstumsglauben bis zum übersteigerten Egoismus (auch Individualismus genannt).

Bei allem Respekt für die verdienstvolle Arbeit der beiden Autoren, der nüchtern denkende Mensch, der ihnen vorschwebt, existiert nicht. Leider. Dazu kommt, dass es uns Menschen schlicht nicht gegeben ist, längerfristig zu denken bzw. die Konsequenzen unseres Handelns einschätzen zu können. Die globale Debatte über die Werte, auf denen eine nachhaltige Gesellschaft aufbauen sollte, würde dran vermutlich nicht viel ändern.

Nachdrücklich fordern die Autoren einen Systemwechsel, denn das gegenwärtige System tötet, wie sie anhand von Tolstois Auferstehung eindrücklich belegen. „Wir – nicht ich, ich, ich“ lautet einer der Zwischentitel dieses Werkes und das beschreibt treffend, wie unsere Werte aussehen sollten. Wir wissen das, doch wie kommen wir dahin, dass wir es auch glauben? Indem wir handeln. Anregungen dazu, wie Sie gesellschaftspolitisch aktiv werden können, finden Sie in diesem Buch.

Graeme Maxton | Bernice Maxton-Lee
F*CK THE SYSTEM
Ein Leitfaden für eine bessere Welt
Verlag Komplett-Media, München 2021

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Veröffentlicht von hansdurrer

Geboren 1953 in Grabs/Schweiz. Buchveröffentlichungen: Ways of Perception: On Visual and Intercultural Communication (White Lotus Press 2006), Inszenierte Wahrheiten. Essays über Fotografie und Medien (Edition Rüegger 2011), Framing the World: Photography, Propaganda and the Media (Alondra Press 2011), Warum rennen hier alle so? Die Erfahrung der eigenen und der fremden Kultur (Edition Rüegger 2013), Wie geht das eigentlich, das Leben? Anregungen zur Selbst- und Welterkundung (neobooks 2017), In Valparaíso und anderswo. Momentaufnahmen (neobooks 2018), Herolds Rache. Thriller (Fehnland Verlag 2018), Harrys Welt oder Die Sehnsucht nach Sinn. Ansichten und Einsichten (neobooks 2019), Gregors Pläne. Eine Anleitung zum gelingenden Scheitern (neobooks 2021), Die Flucht vor dem Augenblick (neobooks 2022). Die Welt will betrogen sein: Über Gehorsam, Gier und Selbstvermarktung (neobooks 2023).

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1 Kommentar

  1. Sie schrieb „Frage an die Autoren: Mit wie wenig Einkommen und Sicherheiten sind Sie bereit zu leben?“ Wir haben diese Frage am ende des Buches geantwortet: ein bedingungsloses Grundeinkommen fuer alle.

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