Mein Bezug zu Wilhelm Busch geht auf meinen Vater zurück, der von diesem sensiblen und wunderbar humorvollen Poeten und Zeichner sehr angetan war, der mit gekonnten Strichen und launigen Worten Wesentliches über des Menschen Befinden auszusagen vermochte. Nichts ist dem Homo Sapiens zuträglicher als das Lachen über sich und seinesgleichen. Und kaum einer, der dazu mehr beigetragen hat als Wilhelm Busch.
Eingeleitet wird dieses Werk mit einem exzellent geschriebenen Essay von Theodor Heuss, dessen Feinfühligkeit und Eloquenz mich staunen liess, denn in meinem Politiker-Bild figuriert prominent vor allem die Dampfplauderei, von der in diesem Beitrag jedoch nichts zu finden ist. Ganz im Gegenteil: So macht Heuss unter anderem auf das Paradox aufmerksam, dass dieser weitherum populäre Wilhelm Busch ein sehr privater Mensch war, über dessen Leben wir viel und „intim Bescheid“ wissen.
Geboren wurde Wilhelm Busch am 15. April 1832 als ältester Sohn eines dörflichen Kaufmanns im niedersächsischen Wiedensahl. Nach Stationen in Hannover, Düsseldorf, Antwerpen, Rom und München kehrt er in die Abgeschiedenheit von Wiedensahl zurück, „um durch die Felder zu streifen, die Linien und Tönungen der flachen Hügel mit seinem wachen Auge abzuvisieren, um über die Eitelkeit dieser Welt zu meditieren, vielleicht auch, um zu träumen.“
Man kann diese hochwertig gestaltete Geschenkausgabe in 2 Bänden im Schuber an beliebiger Stelle aufmachen, man wird unweigerlich auf Ansprechendes (klar doch, ich rede von mir) stossen, seien es Zeichnungen, Verse, Reime, Gemälde oder Karikaturen. Klassifizierungen fallen schwer und sind auch gar nicht nötig. Theodor Heuss sagt es freundlicher: „Buschs Doppelbegabung des knappen Strichs und des knappen Reimes schafft nun jenen einiges Ungemach, die einen katalogisierenden Platz für ihn suchen.“
Doch der Mensch kann das Benennen und Zuschreiben nun einmal nicht lassen. Und sich einfach an diesem Busch zu erfreuen geht natürlich auch nicht, denn da meldet sich der nörgelnde Verstand (von wohlmeinenderen als mir „kritisch“ genannt) und beharrt auf Unterscheidungen, die regelmässig in zwar/aber gipfeln. Noch einmal Heuss: „Es gibt Leute von hohem geistigen Rang, keine pädagogischen Pedanten, die das artistische Können von Busch respektieren, aber ihn oder doch seine Wirkung hassen: er sei ein heimlicher Sadist, seine Geschichten seien nur voll Rohheit, es komme kaum ein edler Zug in ihnen vor, die Anständigen seien immer nur die Dummen und ihr Schicksal werde von einem billigen Hohn begleitet. Es kostete einige Mühe, solches Urteil abzuschleifen – der Hinweis auf die Briefe tat dabei gute Dienste.“ Am Rande: Kein Zweifel, die Anständigen sind immer die Dummen.
Busch war zweiunddreissig als Max und Moritz erschien, die sieben Streiche der beiden Buben werden so eingeleitet: „Max und Moritz machten beide, / Als sie lebten, keinem Freude: / Bildlich siehst du jetzt die Possen, / Die in Wirklichkeit verdrossen, / Mit behaglichem Gekicher, / Weil du selbst vor ihnen sicher, / Aber das bedenke stets: / Wie man’s treibt, mein Kind, so geht’s“
Doch nicht nur aufs Verse-Schmieden, Reimen und Zeichnen versteht sich der Mann, er weiss auch in Prosa durch überraschende Wendungen Heiterkeit zu erzeugen. So formuliert er etwa in Die wunderbare Bärenjagd: „Kaum aber habe ich Platz genommen, so fühle mich mich emporgehoben und falle rücklings auf den Boden hin. Zugleich arbeitet sich aus dem Reisig ein brummendes Ungetüm hervor, welches ich sofort für einen Bären erkannte. Zum Glück hat mich die Natur mit grosser Kaltblütigkeit ausgestattet, darum lief ich denn auch schleunigst davon, so schnell ich nur immer laufen konnte.“
Zu meinen Favoriten gehört Der Schmetterling, das ist so gescheit und lustig, dass es eine wahre Freude ist. Die Geschichte beginnt so: „Kinder, in ihrer Einfalt, fragen immer und immer: warum? Der Verständige tut das nicht mehr; denn jedes Warum, das weiss er längst, ist nur der Zipfel des Fadens, der in den dicken Knäuel der Unendlichkeit ausläuft, mit dem keiner recht fertig wird, er mag wickeln und haspeln, so viel er nur will. Vor Jahren freilich …“
Unter der Rubrik Aphorismen und Reime finden sich auch Lebensweisheiten, die treffender und geniessbarer sind als die meisten modernen Selbsthilfe-Ratgeber. „Vergebens predigt Salomo. / Die Leute machen’s doch nicht so.“ Und: „Wer man so ist, der bleibt auch so.“ Und: „Wer auf den rechten Weg will, / Muss durchaus durch sich selbst hindurch.“ Wer den letzten Ratschlag in die Tat umgesetzt hat, mag jedoch bedenken: „Sag nie bestimmt: Es wird erreicht! / Ein hübsches Wörtchen ist ‚vielleicht‘.“
„Mein“ Wilhelm Busch ist ein mit Humor gesegneter Philosoph, also ein wahrer, der sein Leben so zusammenfasst: „Mein Lebenslauf ist bald erzählt. – / In stiller Ewigkeit verloren / Schlief ich, und nichts hat mir gefehlt, / Bis dass ich sichtbar ward geboren. / Was aber nun? – Auf schwachen Krücken, / Ein leichtes Bündel auf dem Rücken, / Bin ich getrost dahingeholpert, / Bin über manchen Stein gestolpert./ Mitunter grad, mitunter krumm, / Und schliesslich musst‘ ich mich verschnaufen. / Bedenklich rieb ich meine Glatze / Und sah mich in der Gegend um. / O weh! Ich war im Kreis gelaufen, / Stand wiederum am alten Platze, / Und vor mir dehnt sich lang und breit, / Wie ehedem, die Ewigkeit.
Fazit: Eine wahre Fundgrube, die einem das „Getu’s“ der Zeit mit Heiterkeit ertragen lässt.
Wilhelm Busch
Sämtliche Werke
Herausgegeben von Rolf Hochhuth
C. Bertelsmann Verlag, München 2022