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Erste Schritte

Gerhard Roth: Warum es so schwierig ist, sich und andere zu ändern

Dieses Buch erschien zuerst im Jahre 2007, erfuhr seither zahlreiche Neuauflagen und ist jetzt vollständig überarbeitet worden. Mit anderen Worten: Es ist ein Klassiker und solche werden, wie wir alle wissen, selten gelesen. In diesem Falle wäre das bedauerlich, denn nur schon die Kapitelüberschriften lassen erahnen, dass man hier umfassend informiert wird.

Die insgesamt 17 Kapitel  und 3 Exkurse befassen sich unter anderem mit den Bausteinen des Gehirns, der Verankerung der Persönlichkeit in diesem, dem Bewusstsein und dem Unbewussten, unterschiedlichen Aspekten der Neurobiologie sowie mit Fragen der Motivation, der Steuerung von Willenshandlungen und und und.

Hier will ich das Kapitel etwas näher  betrachten, das mir am nächsten steht. „Über die Möglichkeit, sich selbst zu verstehen und zu verändern.“ Es beginnt mit diesem höchst  wesentlichen Satz: „Die Frage ‚Wer bin ich?‘ ist zentral für unser westliches Denken, das man im Gegensatz zu vielen anderen Kulturen ich-zentriert  genannt hat.“ Fragt sich nur, ob es dieses Ich überhaupt gibt – für den Buddhismus und einige wenige Philosophen (David Hume etwa) jedenfalls nicht. Nun gut, Sokrates hat trotzdem für Selbsterkenntnis plädiert, Goethe von ihr abgeraten. 

Gerhard Roths Position ist diese: „Wir sind nicht ein Ich, sondern mehrere Iche, die irgendwie miteinander zusammenhängen (….) Wir sind uns letztlich selber undurchdringlich.  Das Ich kann sich nicht oder nicht gründlich, d.h. auf den Grund durchschauen.“ Feststellen können wir: Manchmal dominiert die körperliche Empfindung, ein andermal das denkende Ich, dann wieder das furchtsame – er herrscht ein ständiges Hin und Her, Rauf und Runter in unserem Bewusstsein.

Roth unterscheidet zwischen  dem Bewusstsein und dem Vorbewussten einerseits (das sind grösstenteils die gesellschaftlichen Konditionierungen, die wir jedoch als eigene  Überzeugungen ansehen) und dem Unbewussten andererseits, das per definitionem nicht erkannt werden kann. Das Vorbewusstsein entscheidet, welche Botschaften aus dem unbewussten Teil bewusst werden sollen und die wir dann als unsere  Gefühle, Wünsche, Gedanken, Motive und Ziele erleben. Das bewusste Ich glaubt – fälschlicherweise – diese Zustände selbst hervorgebracht zu haben. „Das ist die Illusion der Urheberschaft des bewussten Ich.“

Der Mensch, da nicht Herr im eigenen Haus, schätzt sich selten richtig ein. Nicht zuletzt ist er ein Meister der Selbsttäuschung. „The first principle“, sagte der Physiker Richard Feinman einmal, „is not to fool yourself. And you are the easiest person to fool.“ Was dagegen helfen kann ist genaues Hinschauen, nüchternes Betrachten sowie die Dinge aus Distanz einschätzen.

Obwohl wir keinen Zugang zu unserem Unbewussten haben (in uns ist viel mehr angelegt als wir wissen können, man denke etwa ans Temperament), ist es durchaus möglich, sich zu verändern. In Grenzen. Vorausgesetzt, man schafft es, sich selber zu motivieren. „Man kann es lernen, seine Impulse und seine Ungeduld zu zügeln, Durststrecken zu überstehen, sich selbst zurückzunehmen, selbstgenügsam zu werden, aber auch mehr Ehrgeiz, mehr Ordnung, mehr Pünktlichkeit zu entwickeln. Allerdings funktioniert all das nur, wenn die eigene Persönlichkeitsstruktur dies unterstützt. Die haben wir leider nicht in der Hand“, schreibt Gerhard Roth. 

Fazit: Ein überaus nützliches Werk.

Gerhard Roth
Warum es so schwierig ist, sich und andere zu ändern
Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten
Klett-Cotta, Stuttgart 2019

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Veröffentlicht von hansdurrer

Geboren 1953 in Grabs/Schweiz. Buchveröffentlichungen: Ways of Perception: On Visual and Intercultural Communication (White Lotus Press 2006), Inszenierte Wahrheiten. Essays über Fotografie und Medien (Edition Rüegger 2011), Framing the World: Photography, Propaganda and the Media (Alondra Press 2011), Warum rennen hier alle so? Die Erfahrung der eigenen und der fremden Kultur (Edition Rüegger 2013), Wie geht das eigentlich, das Leben? Anregungen zur Selbst- und Welterkundung (neobooks 2017), In Valparaíso und anderswo. Momentaufnahmen (neobooks 2018), Herolds Rache. Thriller (Fehnland Verlag 2018), Harrys Welt oder Die Sehnsucht nach Sinn. Ansichten und Einsichten (neobooks 2019), Gregors Pläne. Eine Anleitung zum gelingenden Scheitern (neobooks 2021), Die Flucht vor dem Augenblick (neobooks 2022). Die Welt will betrogen sein: Über Gehorsam, Gier und Selbstvermarktung (neobooks 2023).

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